Ein Geschichtsprojekt von Schülerinnen und Schülern des Ludwig-Frank-Gymnasiums.
Ein Rückblick von Isabella K. (KS2e).
Am 27.01.2025 jährte sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz zum 80. Mal.
Auch in der Mannheimer Synagoge fand die jährliche Gedenkveranstaltung statt, in der nicht nur die 1. Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Prof. Dr. Heidrun Deborah Kämper, und der Oberbürgermeister Christian Specht zu Wort kamen, sondern auch fünf verschiedene Schulen, darunter unser Ludwig-Frank-Gymnasium. Thematisch stand die Deportation der südwestdeutschen Jüdinnen und Juden in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich im Mittelpunkt der diesjährigen Gedenkveranstaltung.
Unter der Leitung von Frau Haas und Frau Wirth widmeten wir Schüler*innen aus den Stufen 9, 11 und 12 uns einem Projekt, dessen Zentrum der Dokumentarfilm „Der Hölle entkommen. Kinder von Gurs überleben im Versteck“ (https://www.leo-bw.de/themenmodul/juedisches-leben-im-suedwesten/gurs/mediathek/dokumentation-der-hoelle-entkommen, zuletzt geöffnet: 5.1.25) von Dietmar Schulz bildete. Dieser setzt sich mit dem Schicksal der ab Oktober 1940 nach Gurs deportierten Menschen auseinander.
Während des Filmschauens und vielfältigen Recherchen ergaben sich zahlreiche Fragen. Wir überlegten gemeinsam, wie wir aus diesen Fragen und den Antworten einen Beitrag für den Holocaustgedenktag gestalten könnten. Letztendlich hatten wir im Rahmen unseres Projektes die Möglichkeit, den Dokumentarfilmemacher Dietmar Schulz zu treffen und ein Interview mit ihm zu führen. Herr Schulz kam unseretwegen mit seiner Frau aus Mainz angereist und schenkte uns viel Zeit und Aufmerksamkeit bei der Beantwortung unserer nicht immer ganz einfachen Fragen.
Teil des Projekts war es ebenfalls, im Marchivum die empfehlenswerte Ausstellung „Was hat das mit mir zu tun?“ über die NS-Zeit in Mannheim zu besuchen, die uns weitere Informationen über Gurs sowie über das Leben der in Gurs internierten Menschen bot.
Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden rund 6.500 badische, pfälzische und saarländische Juden von den Nationalsozialisten in der ersten großen Deportationsaktion des damaligen Deutschen Reiches festgenommen, in Bussen oder Lastwagen zu Sammelstellen gebracht und in Züge verfrachtet. Die Deportation geschah in aller Öffentlichkeit. Vier Tage und drei Nächte rollten sieben Eisenbahnzüge aus Baden und zwei Züge aus der Pfalz mit den Deportierten in das Gebiet der mit den Nationalsozialisten kollaborierenden französischen Vichy-Regierung, bis sie schließlich über Avignon und Toulouse nach Oloron-Sainte-Marie am Fuße der Pyrenäen gelangten. Einige ältere Menschen starben bereits unterwegs unter den Strapazen der Verschleppung. Im Regen wurden die Vertriebenen auf Lastwagen verladen und in das französische Internierungslager Gurs gebracht, dessen Kapazität keineswegs auf die rund 6.500 ankommenden Menschen auslegt war. Körperlich und seelisch traumatisiert mussten die internierten südwestdeutschen Juden in primitiven dunklen Holzbaracken, 382 an der Zahl, mit undichten Wänden ihren trostlosen Alltag überstehen. Die Lagerverpflegung war völlig unzureichend und enthielt nur rund 800 Kalorien pro Tag. Täglich wurden offen Leichen vorbeigetragen – die Zustände waren unmenschlich. Allein in den Wintermonaten 1940 starben etwa 500 Menschen an Hunger, Kälte und unzureichender Versorgung in jeglicher Hinsicht.
Mit diesem aus dem Dokumentarfilm und unserer Recherche gewonnenen Hintergrundwissen gingen wir in das Gespräch mit Dietmar Schulz.
Unsere Fragen bezogen sich auf die Inhalte des Dokumentarfilms, auf die Produktionsarbeit, auf Herrn Schulz‘ persönliche Eindrücke von den Interviews mit den Zeitzeug*innen sowie auf unsere heutige Zeit und das aktuelle politische Klima: „Was hat Sie bewogen, die Geschichte der Kinder von Gurs in einem Dokumentarfilm festzuhalten?“, „Welche Rolle spielen Zeitzeugen in Ihrem Dokumentarfilm?“, „Erkennen Sie Parallelen zwischen der Politik der NS-Zeit und heutigen politischen Bewegungen?“. Die Antworten, die wir auf unsere Fragen erhielten, sind für uns sehr wertvoll.
Mit großem Einsatz unseres Filmschnittteams war es uns am Ende möglich, eine Präsentation mit Inhalten des geführten Interviews und mit Ausschnitten aus dem Dokumentarfilm zu erstellen, welcher unter anderem Zeitzeugenberichte beinhaltete.
Die Arbeit an diesem Projekt hat in uns viele unterschiedliche Emotionen ausgelöst.
Trauer, Mitgefühl sowie Fassungslosigkeit ob der Gräueltaten. Aber auch große Bewunderung für die selbstlosen Helfenden, die sich an der Rettungsaktion der Kinder beteiligt haben, und Dankbarkeit für die Zeitzeug*innen, die über diese Hölle sprechen können.
Das Ziel unseres Projekts war es, an die Opfer von Gurs zu erinnern und zu zeigen, wie wertvoll Dokumentarfilme und Zeitzeugenberichte für die Erinnerungskultur sind.
Auch die anderen Beiträge der Gedenkveranstaltung regten durch präsentierte Biographien von nach Gurs deportierten Menschen oder durch Theaterstücke zum Nachdenken an und lösten Gänsehaut aus.
Es liegt uns als Schule am Herzen, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Wir tragen die Verantwortung, mit genau solchen Projekten und Veranstaltungen die Erinnerungskultur zu pflegen, damit der Holocaust nie in Vergessenheit gerät und sich dieses entsetzliche Kapitel unserer deutschen Geschichte niemals wiederholt.
Ein Rückblick von Younis A. (KS1f)
Wir leben in einer angespannten Zeit: Rechtsextreme Parteien wie die AfD werden immer populärer, und der aktuell de facto mächtigste Mann der Welt, Donald Trump, ist alles andere als ein Friedensfaktor, auch international gesehen. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, nicht zu vergessen, was schon mal unter der Führung von Rechtsextremen geschehen ist, und das vor gar nicht allzu langer Zeit.
Der Holocaust, der Massenmord an Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten, brachte über sechs Millionen Menschen den Tod. Was viele aber nicht wissen: Er fand nicht nur auf offiziell deutschem Boden statt, sondern auch in anderen Gebieten Europas, wie beispielsweise in Gurs, einer Stadt im Südwesten Frankreichs. Am 22. Oktober 1940 wurden mehr als 6000 Jüdinnen und Juden aus Südwestdeutschland in ein Internierungslager nach Gurs deportiert. Als „Vorhölle von Auschwitz“ wurde das Lager häufig bezeichnet, da viele der internierten Menschen später ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden sind. „Gurs“ stand thematisch im Mittelpunkt des Tags des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, anlässlich dessen die Stadt Mannheim alljährlich eine Gedenkveranstaltung ausrichtet. Die von den Nationalsozialisten verübten Gräueltaten in Gurs geraten leider immer mehr in Vergessenheit, nicht zuletzt auch unter der jüngeren Generation. Jedoch nicht bei uns.
Frau Haas und Frau Wirth führten gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus der neunten Klasse sowie der Kursstufe 1 und 2 ein Geschichtsprojekt anlässlich des Holocaustgedenktags am 27. Januar durch. Das „Camp de Gurs“ war auch Inhalt des Dokumentarfilms „Der Hölle entkommen: Kinder von Gurs überleben im Versteck“ des Filmemachers und pensionierten ZDF-Redakteurs Dietmar Schulz, auf dessen Grundlage wir bauten. Herr Schulz erfreute uns am 15.01.25 mit einem persönlichen Besuch im MARCHIVUM, im Zuge dessen wir die Möglichkeit hatten, ihn zu seinem Film und seinen Erfahrungen interviewen zu dürfen. Das Interview war sehr aufschlussreich. Es beinhaltet viele Aspekte, die von der Motivation zum Filmdreh bis hin zur Zukunftsperspektive, die allerdings eher düster ausfiel, reichen, sowie einen sehr wertvollen Ratschlag. Er lautet, hier zusammengefasst und leicht verändert: Bildet Euch weiter und erinnert Euch. Erinnert Euch an das, was passierte, als Faschisten das Sagen hatten!
Dieser Ratschlag war auch die zentrale Botschaft der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus, welche am 27.01.2025 im Samuel-Adler-Saal der Jüdischen Gemeinde stattfand. Er zeigte sich in allem, was die Veranstaltung ausmachte, sei es die musikalische Begleitung, die trotz der tiefen Trauer, die in ihr mitschwang, einen Hauch von Hoffnung erklingen ließ, die Rede der 1. Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Frau Heidrun Deborah Kämper, die die Unglaublichkeit und Abscheulichkeit der Geschehnisse schilderte, die Ansprache des Mannheimer Oberbürgermeisters Christian Specht, der über die Schicksale einiger deportierter Mannheimer Juden erzählte, oder seien es die Beiträge der Schülerinnen und Schüler, auch anderer Mannheimer Schulen, die alle versuchten, die unfassbare Geschichte etwas fassbarer zu machen.
Viele Menschen der jungen Generation können, so wurde auf der Gedenkveranstaltung mit Erschrecken berichtet, nicht mal den Namen eines Konzentrationslagers nennen. Auch wenn wir keine Verantwortung für die Gräueltaten der Nationalsozialisten tragen, so tragen wir dennoch die Verantwortung, diese Gräueltaten nie zu vergessen und niemals einen „Schlussstrich“ zu setzen. Denn gerade dieses Kapitel der deutschen Geschichte hatte einen so großen Einfluss auf unsere Gegenwart wie kein anderes. Und auch das darf man niemals vergessen. Niemals vergessen, was geschah, als schon mal Faschisten das Sagen hatten.
Wir haben vieles aus dieser Projektzeit gelernt, haben uns mit erschütternden Details des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte befasst uns damit konfrontiert, wie unmenschlich Menschen sein können. Jüdinnen und Juden sowie weitere von den Nationalsozialisten als „Volks- und Reichsfeinde“ bezeichnete Menschen wurden unter dem faschistischen NS-Regime stigmatisiert, in Schubladen gesteckt und millionenfach deportiert und ermordet. Das darf nie wieder passieren.
Und nie wieder ist jetzt!
