
Zwei Gräben gab es dort, einer für die Frauen und Kinder, einer für die Männer. Die Menschen mussten sich nackt ausziehen. Dann wurden sie erschossen. Auf die Leichen ist Kalk geschüttet worden, und dann sind die Gräben mit Erde bedeckt worden. Die Kleider wurden von der SS verbrannt. Zwei der Männer von den polnischen Sinti sind dorthin gegangen und haben in den verbrannten Kleidern gesucht, ob man noch etwas erkennen könnte von den Dingen, die den Menschen gehört haben. Sie brachten ein kleines Stück Band mit, an dem hing ein Medaillon mit der Mutter Gottes. Das hatte der kleinen Muri, der Tochter meiner Tante Moza, gehört.
Im Jahr 1940 floh Lore Georgs Familie aus Ludwigshafen und fand Zuflucht in einer Gartenkolonie mit anderen Sinti-Familien. Ihr Vater arbeitet zu diesem Zeitpunkt bei der BASF. Im gleichen Jahr wurden sie nach Polen deportiert, wo Kinder, Männer und Frauen vielfach für den Krieg in Munitionsfabriken arbeiteten – ständig bewacht von der SS. Hunger und Kälte begleiteten die Familie, während die SS in verschiedenen Orten Angriffe und Morde verübte. Glücklicherweise wurde Lore Georg von einem Deutschen mit der Begründung „Ich habe auch Kinder“ verschont. 1944 wurden die Überlebenden der Familie von russischen Soldaten befreit und flohen zurück nach Mannheim. Bei Angriffen der Alliierten durften sie nicht in den Bunker, sondern mussten sich im Keller verstecken. Für Lore Georg war Deutschland das schlimmste Land für Sinti und Roma, da ihnen weiterhin offene Ablehnung entgegengebracht wurde.