(Mannheimer Morgen, 22.11) Wie lange dauert der Ukraine-Krieg noch, Udo Lielischkies? Der frühere Leiter des ARD-Büros in Moskau referiert am Ludwig-Frank-Gymnasium über Wladimir Putin. Auf die Frage nach dem Kriegsende hat er eine klare Antwort
Mannheim. Vor fast genau neun Monaten hat Russland den Krieg gegen die Ukraine begonnen. „Ich bin überzeugt, dass der Krieg vorwiegend von einem Mann ausgelöst worden ist, der Wladimir Putin heißt“, meint Udo Lielischkies. Der Journalist arbeitete jahrelang in Russland, leitete zuletzt bis 2018 das ARD-Studio in Moskau. An diesem Nachmittag spricht er im „Philosophischen Café“ vor 200 Schülerinnen und Schülern des Ludwig-Frank-Gymnasiums und will erklären, wer der Mann im Kreml ist, der den Überfall auf die Ukraine am 24. Februar befohlen haben soll.
Lielischkies spricht fließend Russisch, hat eine russische Familie und begann seine Arbeit in Moskau um die Jahrtausendwende. Der frühere Geheimdienstler Putin ist da Ministerpräsident und beginnt als solcher gerade den zweiten Krieg in Tschetschenien, erklärt Lielischkies, der in der Turnhalle des Gymnasiums ein detailliertes Bild Putins zu zeichnen versucht. Er erklärt dessen Aufstieg zum Präsidenten, der das Vertrauen des Westens hat und von diesem auch nach der Annexion der Krim 2014 wenig zu befürchten braucht. Der Vortrag ist gespickt mit Details – manchmal droht sich der Journalist gar in ihnen zu verlieren, etwa wenn er über Putins Motive für den Tschetschenienkrieg spricht. Die Aufmerksamkeit der Jugendlichen bleibt trotzdem hoch. Wohl auch ein Indiz für die Relevanz der Thematik nur wenige Tage nach dem Raketeneinschlag in Polen.
„Der Krieg kann nur enden, wenn die Ukraine Putin auch militärisch wirklich so überzeugend demonstriert hat, dass er keine Chance hat“, antwortet Lielischkies einem Schüler, wie lange der Krieg noch dauere. „So lange wir uns in Europa so komisch anstellen, was die Unterstützung der Ukraine mit Waffen angeht, kann sich das ewig hinziehen.“
Jugendliche fragen kritisch nach
Dem bald 69-Jährigen bereite der Winter Unruhe. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in der Ukraine nicht erfrieren“, warnt Lielischkies und spricht von „brutalen“ Angriffen auf die Infrastruktur großer Städte. „Das Kalkül von Putin ist, dass viele Ukrainer sagen, sie könnten es dort nicht mehr aushalten, weil sie und ihre Kinder erfrieren“, mutmaßt er. „Wir müssen uns klarmachen, dass Ukrainer keine Sozialtouristen sind, die ein paar schöne Wochen bei uns verbringen wollen.“
Die sich an den phasenweise ziehenden Vortrag anschließende Diskussion ist interessant – auch weil die Jugendlichen kritisch nachfragen. Warum etwa würden Medien viel über den Krieg in der Ukraine berichten, aber weniger über andere Krisenherde, will ein Schüler wissen. Lielischkies erklärt, er habe für die ARD auch aus Afghanistan berichtet. „Die Ukraine liegt uns aber geografisch viel näher. Es ist auch noch ungeheuerlicher, dass Russland ein gesamtes, friedliches Nachbarland kulturell und politisch von der Landkarte tilgen will.“
Und warum musste Putin erst Krieg in der Ukraine führen, damit der Westen seine Haltung ihm gegenüber ändert? Lielischkies kritisiert in seiner Antwort die politische Linke, vor allem Sahra Wagenknecht, die deren Russlandpolitik bis zuletzt öffentlich verteidigt habe. Außerdem verweist er mit Blick auf die Wirtschaft auf „günstige Rohstoffe“, die man aus Russland erhalten habe. „Da macht man auch als Wirtschaft schon mal das eine oder andere Augen zu.“
22.11.2022 VON SEBASTIAN KOCH, Mannheimer Morgen